Frau Holles Spätlese

Frau Holles Spätlese

Die Seniorentheatertage in Freiburg als Forum für Austausch und Vernetzung
Marion Klötzer, Badische Zeitung, Ticket, 20. Februar 2008

Das Theater Freiburg ist mit seinem fünftägigen und wohl ersten baden-württembergischen Seniorentheaterfestival ganz am Puls der Zeit. Umso mehr, als dabei trotz illustrer Gastgruppen keine Leistungsschau, sondern ein lebendiges Forum für Austausch und Vernetzung gewünscht ist. Wer zum Thema „Seniorentheater“ recherchiert, ist beeindruckt: Nicht nur finden sich dazu bundesweit unzählige Gruppen mit so pfiffigen Namen wie „Restrisiko“, „Spätlese“, „Dritte Halbzeit“ oder „Bühnengeister“, auch deren Sprachrohre sind offensichtlich bestens organisiert: So richtet der Bund deutscher Amateurtheater gerade eine Senioren-Homepage ein, in Nordrhein-Westfalen gibt es eine rege Koordinationsstelle, und das nächste große Seniorentheaterfestival ist schon für 2009 in Karlsruhe geplant. Gibt es nun also nach all dem Jugendkult auch im Theater einen demografischen Wandel, bei dem ganz andere Stoffe Einzug halten? Jedenfalls macht die Sache sicher nicht nur den betagten Laienschauspielern Mut, zeigt sie doch statt Alterstristesse jede Menge Kraft und zudem Kreativität.Vom Besuch der alten Dame bis Tempo 100Schauen wir nach Freiburg. Vom 27. Februar bis zum 2. März „soll das Haus brummen“, das jedenfalls wünscht sich die Schauspieldramaturgin Anita Kerzmann, die um die täglichen Vorstellungen ein vielfältiges Angebot aus kostenlosen Workshops, Publikumsgesprächen, Festivalbüro, Mittagstisch in der Kantine und Abschlussfest organisiert hat. Die Resonanz ist jetzt schon gewaltig: Für die von hauseigenen Theaterprofis geleiteten Workshops in Schauspiel, Tanz und Gesang liegen bereits derart viele Anmeldungen vor, dass man sich kaum retten kann…

Im Kleinen Haus gibt es eine bunte Palette unterschiedlichster Produktionen zu sehen. Angesichts der Fülle von aktiven Gruppen fiel die Auswahl schwer. So entschloss sich Helmut Grieser als Festival-Mitorganisator und künstlerischer Leiter der Freiburger „methusalems“, die einzuladen, die an eine Staats- oder Stadttheaterbühne angeschlossen sind und große Gegensätze in ihrer Arbeit präsentieren. Mit Kabarett, Krimikomödie, Selbstgeschriebenem, Biografiearbeit oder Vier-Generationen-Stück verspricht das Programm spannend zu werden.

Das Theater „BaSta“ aus Karlsruhe zeigt nach der Eröffnungsveranstaltung im Winterer-Foyer am Mittwoch, 27. Februar, um 19 Uhr Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“. Am Donnerstag um 19 Uhr gibt das Seniorenkabarett „Graue Zellen“ aus Ettlingen unter dem Titel „Glücklich ist, wer vergisst“ eine satirische Collage aus Liedern, Texten und Szenen, bei dem ein „optimistischer Blick nach vorn im Zorn“ gewagt werden soll. Am Freitagabend ist mit „Tempo 100“ aus Nürnberg und der Komödie „Streng geheim“ von Arthur Watkyn Krimi-Zeit. Jetzt jagen sich gegenseitig der britische Geheimdienst, Militärspione und deren Doppelgänger.

„Witzig-bissig“ tituliert die Presse das selbst geschriebene Prinzessinnenstück „Und wenn sie nicht gestorben sind“ des Frauentheaters Purpur aus Tübingen, das am Samstag, 1. März, um 15 Uhr im Werkraum zu sehen sein wird. Dabei spinnen die Purpurs bekannte Märchen bis ans nie gedachte Ende weiter: Nach 50 Jahren rücken dem Aschenputtel die bösen Stiefschwestern auf die Pelle, und auch für Goldmarie, Frau Holle und Schneewittchen hat die Stunde der Wahrheit geschlagen.

Samstags um 19 Uhr spielt das Generationentheater „Zeitsprung“ aus Tübingen im Kleinen Haus das Stück „Kontakt-Schleifen“, bei dem zwölf unterschiedliche Menschen mit ihren Ängsten und Träumen im Beziehungsraum Hotel aufeinandertreffen. Am Sonntag um 14 Uhr laden die Elektropopmusikerin Bernadette La Hengst und der Aktionskünstler Pastor Leumund ins Große Haus. Beide hatten bereits letzten Sommer im Rahmen des Orbit-Projekts gemeinsam mit Altenheimbewohnern zu deren Zukunftsvorstellungen Texte und Lieder erarbeitet. Nun soll unterm Titel „Studio Zukunft“ ein Hörspiel entstehen. Sonntags um 18 Uhr ist mit Joseph Kesselrings Krimikomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ dann nochmals der Kassenschlager der Freiburger „methusalems“ zu sehen.