in memoriam

Harald Jeske

-Absolute Bühnenpräsenz in jeder Rolle. Die ihm eigene Überzeugungskraft konnte Harald den Figuren, die er zu verkörpern hatte, in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen mitgeben. Diese Fähigkeit, eigene Persönlichkeitsanteile in schauspielerisches Handwerkszeug zu verwandeln, wurde auch anderen zur Orientierung. Voller Überzeugung und überzeugend trug Harald den Satz „Man hat über Jahrtausende versucht, uns zu erzählen, dass wir sterben müssen. Auch wenn es stimmt, glauben wir es nicht!“ vor. (Aus der „Rede zum unmöglichen Theater“ von Wolfram Lotz, Teil unseres Stücks „Ich weiß, was du ´68 getan hast“)
Mechthild Blum

-Besonders in Erinnerung sind mir deine Geburtstage geblieben, lieber Harald. Wir feierten Anfang Dezember, fast immer während den Endproben. Deine liebe Frau Regina brachte uns am Nachmittag viel Leckeres, und du hast jedes Mal an „deinem Tag“ gestrahlt wie ein Kind.
Miejef Callens

-Haralds offene, entgegenkommende Art fiel mir schon bei einem der ersten Treffen mit den „methusalems“ auf, als er mir, der neuen, sozusagen noch auf Probe Anwesenden, zwei Freikarten für eine Vorstellung von „Arsen und Spitzenhäubchen“ zusteckte, in dem er bravourös die Rolle des Doktors verkörperte. Wie wichtig ihm Miteinander und Austausch mit und in der Theatergruppe waren, zeigte sich auch an seinem unermüdlichen Werben für den von ihm etablierten, wöchentlichen Stammtisch.
Besonders bewundernswert ist seine Teilnahme – trotz seiner zunehmenden gesundheitlichen Probleme – an unserer Inszenierung „Die Ehemaligen“ in der Spielzeit 2022/23.
Heide Cerny

-Ich schätzte Harald als liebenswerten und auch humorvollen Menschen mit dem ich sehr gerne zusammen gespielt habe (allein 38 mal „Arsen und Spitzenhäubchen“. Er war mit Leidenschaft ein Mann des Theaters, dem die Proben nie zu viel waren. Ich werde ihn sehr vermissen.
Wim Geerlings

-Verehrt habe ich ihn immer wegen seiner Klugheit, Rechtschaffenheit und seines Könnens. Viel hat für mich ausgemacht, dass er vor seinem Jurastudium eine praktische Kaufmannsausbildung abgeschlossen hat. Vom Beginn der Methusalem-Gründung an habe ich gespürt, wie er für das Schauspielen glühte. Er liebte den Applaus. Und als für ihn wegen seines Alters und seiner Behinderung Sonderrollen von der Regie geschaffen wurden, merkte man ihm an, wie stolz er darauf war.
Vor wenigen Jahren hatten wir abgesprochen, unsere Bühnenaktivität nun ruhen zu lassen und das bei der nächsten Jahresmitgliederversammlung bekanntzugeben. Der Tag kam. Als die Ältere sprach ich es aus und dachte, jetzt sagt er es. Mitnichten! Er hat sogar für die geplante Operette noch vorgesungen. Sein letzter Auftritt, seine Rolle in „Die Ehemaligen“, wo er als Pfarrer via Videoeinblendung mit seinem prägenden Gesichtsausdruck die infamste Heuchelei von sich gab, war göttlich!
Renate Gimmi

-Und immer war er nicht nur Schauspieler, sondern auch Motor auf einer Entdeckungsreise, zu der wir, meine Frau Ingrid und ich mit den methusalems gemeinsam aufgebrochen waren. Besonders in einem der letzten Stücke, das wir miteinander entwickelt hatten. Wir baten die „methusalems“ sich zu erinnern, was sie als Kinder in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt hatten. Harald fiel die Geschichte mit dem Hund ein: Jahrzehntelang stand ein kleiner Bronzehund auf seinem Schreibtisch. Er hatte ganz vergessen, woher er eigentlich kam. Und plötzlich, so sagte er, war wieder ein Bild da und er wusste, wer ihm den Hund geschenkt hatte. Es waren zwei alte Damen, die im gleichen Haus unter dem Dach wohnten und die, als sie gezwungen wurden, ganz schnell auszuziehen, ihm, dem kleinen Jungen, zum Abschied diesen Hund schenkten. Harald wusste selbst nicht, warum er ihn so lange aufbewahrt hatte. Das war, ohne dass das Kind es begreifen konnte, seine erste Begegnung mit dem Holocaust. Du hast uns mit dieser Geschichte, die auch zum Titel für unser Stück „Der Hund auf meinem Schreibtisch“ wurde, ein kostbares Geschenk gemacht. Danke Harald.
Helmut Grieser

-Harald war mein Freund – seit 1961, als wir den praktischen Teil unserer juristischen Ausbildung am Amtsgericht Freiburg begannen. Wir haben zusammen große Reisen gemacht, eindrucksvoll und erlebnisreich. Wir waren jung und scheuten kein Risiko. Einmal waren wir in Las Vegas, wo ich verhaftet werden sollte. Ich hatte trotz Verbots in einer Halle mit sogenannten einarmigen Banditen fotografiert. Aber ich konnte fliehen und draußen saß Harald im Auto mit laufendem Motor. Er hatte schon eine Ahnung . . . Dann sind wir stundenlang gefahren – ein Staatsanwalt und ein Richter auf der Flucht vor der Polizei. Wir kamen uns fabelhaft vor!
Auch nachdem wir beide Familien gegründet hatten, riss die Verbindung nicht ab. Richtig intensiv und lebendig wurde sie, als wir vor genau 23 Jahren ein Seniorentheater mitgründeten, das den Namen „die methusalems“ bekam. Für uns beide hatte sich ein Jugendtraum erfüllt! Am meisten hat mich seine Hilfsbereitschaft beeindruckt. Danke Harald.
Hans-Dieter Helmeke

-Die beiden jungen Assessoren Harald Jeske, Hans-Dieter Helmeke und ich frischgebackene Referendarin – von mir die drei juristischen Musketiere genannt – waren in den frühen 70ger Jahren am Amtsgericht Lörrach eingesetzt und hatten viel Spaß in dieser Zeit. Wenn Hans-Dieter und ich in der Beurteilung von Fällen uneins waren, musste Harald, Staatsanwalt im Büro nebenan, schlichten.
Ein Fall ist mir besonders in Erinnerung: Ein Volltrunkener im Straßenverkehr wurde von einem wild mit den Augen rollenden Verteidiger so vertreten: „Mein Mandant war nicht betrunken. Er befand sich lediglich im geordneten Dämmerzustand , hervorgerufen durch die bioklimatische Reizzone des Dreiländerecks.“ Selten waren wir drei uns so einig, wie in diesem Fall: dass nämlich der eine betrunken gewesen war und der andere einen Schuss hatte.
Barbara Motz

-Er war ein guter Mensch und als Schauspieler hätte er vermutlich auch Erfolg gehabt. Ich sehe ihn zwischen Erik Ode und Heinz Rühmann stehend. Beeindruckt hat mich besonders eine Antwort von ihm auf die Frage eines Interviews: „Sie sind doch Jurist!?“ – „Nein, ich bin Schauspieler!“ Das hat er wenige Monat vor seinem Tod allen Ernstes gesagt. Und so werde ich ihn auch in Erinnerung behalten.
Herbert Pielmeier

-Harald, Dieter Kottler und ich hatten die jährliche Kassenprüfung für die Methusalems vorzunehmen. Einmal warteten Dieter und ich vergebens bei Kottlers zuhause auf den sonst so pünktlichen Harald. Wie sich später herausstellte, war er stattdessen im Thermalbad schwimmen gewesen und hatte uns völlig vergessen. Wir konnten ihn erst erreichen, als die Kassenprüfung längst rum war. Ach, da gab er sich laut klagend untröstlich und zutiefst bedauernd, diese Gelegenheit verpasst zu haben: „Ihr wisst ja, wie ich mich auf Charlottes (Ehefrau von Dieter, Anm.) Kaffee und ihre selbstgebackenen Kekse freue.“ Von der versäumten Kassenprüfung selbst war nicht die Rede.
Ingrid Riesterer

-Es war mein erster Auftritt im Theater mit den Methusalems. Wir spielten eine Gruppe alter, verwirrter Menschen, die in einem Altenpflegeheim lebten. Zu Beginn des Stückes saßen wir auf Stühlen nebeneinander mit dem Rücken zum Publikum. Harald saß neben mir. Er bemerkte, dass ich sehr aufgeregt war und beruhigte mich. Er sagte: „Hab keine Angst, alles geht gut und ich bin ja neben Dir“. Das war der Beginn unserer Freundschaft.
Maja Schaber

-Wir haben einen liebenswerten Freund verloren, einen sehr geschätzten Schauspielkollegen, einen Methusalem der ersten Stunde. Viele Male haben wir zusammen auf der Bühne gestanden und noch viel öfter gemeinsam geprobt. Das letzte Mal sprachen wir miteinander beim Stammtisch, der ihm so viel bedeutete.
Thomas Schelenz

-Eine Shakespeare-Gestalt: nach außen oft stoisch, von innen heraus voll Feuer, mit lachenden Augen in dem weiten Land seines Gesichts; diese präzise Sprache, das bedächtige Sprechen, dieser Witz – im englischen Sinn: he was a wit – den er als Geistesmensch stets wie ein Florett einsetzte, niemals als Knüppel. Ein Gentleman, ein gentle man, ein weiser Alter, Doge, Herzog, Vater, König – all the world‘s a stage, and all the men and women merely players*: das hat Harald gewusst, das hat er gelebt.
Uli Winterhager
*Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Männer und Frauen nur Spieler


Jarg Pataki

„Hast du schon mal einen so schönen Himmel gesehen! Weißt du nicht mehr? Wir sind oft über die Dächer spaziert. Wir hatten nie Angst abzustürzen.“ (Aus „Die letzte Frage“).
Wir trauern sehr um Jarg Pataki.
Einige Stimmen dazu:
Er war uns ein strenger, unerbittlicher, verantwortungsvoller und verehrter Lehrer, der mit uns Methusalems arbeitete, als wären wir professionelle Schauspieler*innen. Wir trauern mit allen, die gerade arbeitend und liebend mit ihm eng verbunden sind!
*
Für mich ist das wirklich ein Schock zu erfahren, daß Jarg mir nur noch in der Erinnerung bleiben kann mit seiner starken Persönlichkeit, mit seinem ungeheuren Einfühlungsvermögen für seine Schauspielerinnen und Schauspieler, seinem Verständnis für deren menschliche Grillen und spannungsgeladenen Befindlichkeiten und seinem Talent, diese theatralisch umzuformen für die Bretter dieser Welt….
Für mich ein großer und großartiger Regisseur auf und hinter der Bühne…
*
Ich habe ihn nahezu geliebt für seine Zugewandheit und seinen unbedingten Willen, auch mit uns methusalems große Kunst auf der Bühne verwirklichen zu wollen.

https://www.badische-zeitung.de/ein-kuenstler-fuer-das-grosse-format-zum-tod-des-theaterregisseurs-jarg-pataki–202097407.html?fbclid=IwAR1OOtUeFjMLlBTAl1AkoF7KjVVTbYD8AsKQzIWkXKjqID4Jeva2H5siiU8


Dieter KottlerDieter Kottler

Als einer der Jüngeren der Methusalems habe ich leider nie mit Dieter spielen können, habe ihn aber bei unseren Treffen als einen ganz besonderen Menschen schätzen gelernt. Seine liebenswürdige Art, sich in seiner Mundart zu unterhalten und sie zur Freude anderer auch theatralisch umzusetzen, hat seiner Persönlichkeit einen einzigartigen Charme verliehen.
An unserer Lesung 2016 von „Secondhand-Zeit“, Svetlana Alexijewitschs Buch über das postsowjetische Russland, sollte auch Dieter teilnehmen. Da der Jungregisseur damals trotz vieler langer Textpassagen, die zu verteilen waren, ihm nur einen einzigen Satz zubilligte, hat sich Dieter zurückgezogen. Dabei hätte er die Lesung der Texte mit seiner so persönlichen Darstellungsweise und ausdrucksstarken Mundart bereichern können . . .
Seine Verletzung geht mir heute noch nach.
Markus Simon

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Ich vermisse nicht nur Dein Spiel, Dieter, sondern auch Deine Erzählungen am Stammtisch, die ich zwar meistens wegen des Dialekts nicht verstanden, aber durch Deine spezielle Art und Mimik genossen und belacht habe!
Renate Gimmi

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Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Truppe wie ich auch. Aber er hatte schon Jahre zuvor auf andern Bühnen gestanden und uns als Schauspieler einige Erfahrung voraus. Das nutze er, um uns bei vielen Gelegenheiten Tipps zu geben, nie aber, um sich überheblich zu zeigen. Ich genoss auch die gemeinsamen Stunden an unserem methusalems-Stammtisch deswegen so, weil Dieter die herrlichsten Anekdoten so erzählen konnte, dass uns vor Lachen die Tränen in die Augen stiegen. Und ich hatte einen Mordsrespekt vor dem Horex-Fahrer Dieter Kottler, der auf seiner legendären 350er-Maschine noch mit weit über 80 Jahren in strömendem Regen von Besançon nach Freiburg gefahren ist.
Hans-Dieter Helmeke

*

Für mich war Dieter ein humorvoller, liebenswerter Schauspielkollege, den ich sehr geschätzt und mit dem ich gerne gespielt habe. Er war hilfsbereit und hat 16 Jahre mit großer Zuverlässigkeit die Arbeit des Schatzmeisters übernommen, wovon ich mich bei den jährlichen Prüfungen immer überzeugen konnte. Ich bedauere es, dass ich ihn wegen der Corona-Lage nicht auf seinem letzten Weg begleiten konnte.
Wim Geerlings


Gisela Strasburger und Gerburg RüsingGisela Strasburger

Es ist schon berührend, dass nach Betty Hauger und Margarethe Gorenflos nun auch Gisela gestorben ist und wir zum zweiten Mal in diesem Jahr an das Stück „methusalems Reisen“ erinnert werden.

Betty Hauger, unsere älteste Mitspielerin, wurde auf der Bühne von Renate Gimmi in ihren Theatertod begleitet mit den Worten: „Das hast du schon lange gewollt. Wir bleiben zusammen. Fast jede Zimmerpflanze war mal ein Mensch. Hast du das gewusst? Jetzt gehen wir schlafen und morgen früh schauen wir nach deinen neuen Blättern“.

Gisela wiederum hatte Ingrid und mir vor Jahren eine Mispel geschenkt, eine südliche Pflanze, die wir immer wieder halb erfroren, halb vertrocknet, vor dem Untergang retten mussten. Als sie jetzt endlich prächtig gedieh in unserem burgundischen Garten, haben wir Gisela zu ihrem 85. Geburtstag ein Foto mitgebracht und ihr gestanden, dass das Bäumchen bei uns nur Gisela heiße. Sie war überrascht und glücklich, und schrieb uns, dass sie nie vermutet habe, die Pflanze sei noch am Leben.

Und nicht vergessen werden wir, wie wunderbar Gisela Geige spielte in der Szene „Die Geige“. Ihre Figur darin – von der Demenz gezeichnet – sollte ins Heim gebracht werden, wähnte sich aber auf dem Weg zur Mutter. Für sie wollte sie noch schnell ein Geburtstagsständchen üben, musste  aber abbrechen: „Ich habs vergessen. Ich weiß nicht weiter.“ Und auf die Frage ihrer Partnerin, wie alt denn die Mutter sei, antwortete sie „85, ich glaube sie wird 85“.

Diese Zahlenmagie Gisela, hätte Dir gefallen.

Nachruf von Ingrid Israel und Helmut Grieser, Freiburg, Dezember 2014


Margarethe GorenflosMargarethe Gorenflos
Geboren 1928. Gestorben im Oktober 2014.

Margarethe Gorenflos beeindruckte uns in Gesprächen wie in ihren Rollen auf der Bühne durch ihre nachdenkliche Würde und ihre freundlich zugewandte Güte. Sie, deren Leben sich nicht immer einfach gestaltet hatte, fühlte sich in der Gruppe der „methusalems“ sichtlich wohl. Hier konnte sie – ernst und launig zugleich – von sich selbst, von ihrer Erfahrung als Religionslehrerin und Klinikpfarrerin sprechen, von tiefgehenden  Gesprächen mit ihren Kindern und Enkeln und deren Eigenschaften berichten und selbst theologische Diskussionen führen.

Mit ihrer Ich-Kraft hatte sie sich einen lebensvollen Platz in dieser Gemeinschaft geschaffen. Sie starb mit 86 Jahren im Oktober 2014.

In ihren Rollen – unvergesslich, wie sie in „Wir sind nur vorübergehend hier“ immer wieder völlig gelassen in langem Nachthemd langsam die Bühne querte – wirkte sie immer, als ob sie eigenen Gedanken Ausdruck verleihe. So auch in der folgenden Dialogszene mit Gerburg Rüsing aus „Methusalems Reisen“ (2004).

Die Pankreas (das Wartezimmer)

Margarethe:
Heute dauert’s aber lange . . . Ich hatte eine Bekannte: Erst stirbt er, ein halbes Jahr später war sie tot. Die Lebenserwartung ist auch eine Spezialistenfrage . . .

Gerburg:
Dann sind Sie ja hier richtig, beim dümmsten Spezialisten, den es gibt. Diesen Doktor will ich quälen, bis er einknickt, kapituliert. Bis er zugibt, dass er nichts kann, der Herr Spezialist! Dann bin ich gesund, dann kann ich in Ruhe ans Sterben denken.

Margarethe:
Ans Sterben denken?. . . Heute dauert’s aber . . . Auf uns Alte nimmt man eben keine Rücksicht mehr. Wo zwickt’s denn bei Ihnen?

Gerburg:
Bei mir ist es die Pankreas.

Margarethe:
Ja, wir haben alle was . . .

Gerburg:
Hier sind die Schmerzen, hier. Fassen Sie hierhin.

Margarethe:
Ihr Herz klopft ja bis in den Bauch hinunter . . . Alle sind weg . . . Hören Sie doch, Klarinettenspiel!

Gerburg:
Ich höre nichts.

Margarethe:
Wir sollten viel mehr an Wunder glauben . . . Das Leben, sagt der Derwisch, ist eine Reise.

Gerburg:
Ja – jetzt höre ich sie auch, die Musik. Ich höre sie.

 


Betty Hauger
Geboren am 5. März 1912. Gestorben am 5. Mai 2011.

Mit selbstverständlicher Gelassenheit und anrührendem Charme stand sie noch in hohem Alter auf der Bühne: Betty Hauger, geboren am 5. März 1912, die nun mit fast hundert Jahren die Bühne des Lebens verließ.

Eine Frau, die es gewiss nicht immer leicht in ihrem Leben hatte. Ihr Mann fand den Tod im Russland-Feldzug des Zweiten Weltkrieges, ihr Tochter zog sie alleine groß. Stolz war sie, es geschafft zu haben, ein eigenes Haus zu erwerben, dass ihr bis zuletzt auch Heimstatt war.

Als Gründungsmitglied der „methusalems“ spielte sie bei ihrem ersten Auftritt der Truppe 2002 – da war sie 90 Jahre alt – in „Jenseits von Gut und Böse“ ganz anrührend auf der Geige. Denn die ausgesprochen musikalische Frau hatte zeitlebens gerne gesungen und Musik gemacht, auch mit anderen wie etwa dem „Salonorchester“.

Gesellig, geistreich, heiter und immer zu einem Spaß bereit, ohne ihre Contenance zu verlieren – so beschreiben sie die Kolleginnen und Kollegen, die ihr gerne bei ihren Auftritten assistierten. Für sie hatte Helmut Grieser als Regisseur und künstlerischer Leiter der „methusalems“ sogar eigens Rollen erfunden, die in den Originaltexten von Stücken gar nicht vorgesehen sind – wie die in „Arsen und Spitzenhäubchen“, ihrem letzten Auftritt: Da spielte sie eine Zimmer suchende alte Dame in Begleitung eines Heilsarmeeoffiziers, die von den beiden Mords-Ladies aber abgewiesen wurde.

Auch als sie nicht mehr im Theater auftreten konnte, kümmerten sich immer wieder Mitglieder des Ensembles der „methusalems“ um sie. Betty Hauger ist nun in den frühen Morgenstunden des 5. Mai 2011 gestorben.

In „Jenseits von Gut und Böse“ hatte sie ein Gedicht der 14 Jahre jüngeren Elisabeth Borchers gelesen. Ein Gedicht, das sehr gut zu ihr passte:

Der Augenblick
verweilt
wie lang
das Schwarz wird licht
die neue Jahreszeit
die Jahre gehen
siehst du denn nicht, sie sterben
alle.

Der Augenblick ist schon vorüber,
ein Menschenalter
goldne Zeit.
Ich übe Disziplin
und leugne jeden Schmerz.
Du weißt, wovon ich rede.


Hans Martin Marstaller

Geboren am 5. November 1936. Gestorben am 31.07.2010.

Die Luft an diesem Nachmittag steht still: ein Sommertag, fast schon herbstlich. Schweigend gehen Männer, Frauen, ältere und jüngere, Kinder auch, auf das Portal einer Kirche zu. Mitten in den Theaterferien war es passiert: Am 31. Juli 2010 starb Hans-Martin Marstaller völlig unvermittelt. Im Kreis einer Gruppe, die ein Wohnprojekt im Umland der Stadt plant – mit jungen Familien, alten Paaren, Alleinstehenden, Menschen jeden Alters, unterschiedlicher Herkunft, Erwerbstätige und Ruheständler. Er war einer von ihnen.

Gut Hundert sind zur Trauerfeier gekommen: ältere Geschwister, Töchter, Pflegetochter, Enkelkinder, zwei ehemalige Ehefrauen, Schulkameraden, die Gründerinnen und Gründer der Wohngruppe, Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde, in der der ehemalige Pfarrer und Sozialarbeiter eine Glaubensheimat gefunden hatte, der Musik- und Tanzkreis. Und natürlich die „methusalems“, die zum ersten Mal in ihrer zehnjährigen Geschichte einen der ihren zu betrauern hatten.

Viele der Trauernden erzählten den Anwesenden, was sie Unvergessliches in ihrer Jugend oder auch in späteren Zeiten mit dem Verstorbenen erlebt hatten. Von seiner Liebe zu Menschen und Tieren, seiner therapeutischen Arbeit mit Behinderten. Seiner Offenheit für alles Neue im Leben. Von guten und schlechten Zeiten. Von der Sorge um ihn und den Freuden in seiner Gesellschaft. Und andere – erst vor ein paar Jahren war der 74jährige vom Schwäbischen nach Freiburg gezogen – erfuhren erst hier von den immer wieder verschlungenen Pfaden auf denen der ruhige, fast scheu wirkenden Mannes auf seiner lebenslangen Suche nach der Erfahrung eines lebendigen Gottes unterwegs gewesen ist. Auch im Theaterspiel.