Eine Ärztin greift zum Holunderbeerwein

„Eine Ärztin greift zum Holunderbeerwein“

Die methusalems, die Seniorengruppe des Theaters, spielt die groteske Kriminalkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“, Otto Schnekenburger, Der Sonntag, 24. Dezember 2006

Lange Jahre war Renate Gimmi Ärztin, hatte bis 2001 eine Praxis in der Wiehre. Am nächsten Samstag wird sie keine Menschenleben retten. Sondern gemeinsam mit Gisela Strasburger ein gutes Dutzend ältere Männer ins Jenseits befördern. Die beiden freundlichen alten Damen spielen zwei freundliche alte Damen – jene aus der Kriminalgroteske „Arsen und Spitzenhäubchen“, die in einer Bearbeitung der methusalems am Kleinen Haus Premiere feiert.

„Wenn ich nicht Schauspieler geworden wäre, dann vielleicht Kriminalbeamter“, erzählt Helmut Grieser. Klar also, dass dem langjährigen Akteur der städtischen Bühnen „Arsen und Spitzenhäubchen“ als Vorlage für seine vor sechs Jahren gegründeten Seniorentheatergruppe methusalems prima gefiel. Den meisten dürfte das Stück von Joseph Kesselring durch die erfolgreiche Verfilmung von Frank Capra mit Cary Grant in der Hauptrolle ein Begriff sein. In Capras Film wurde – wie auch schon in der jahrelang am Broadway gespielten Theaterversion – ein temporeiches und bis ins Detail stimmiges Meisterwerk des skurrilen schwarzen Humors aus der Vorlage. Dabei hatte Kesselring, der von der von diesen Interpretationen sogar Depressionen bekommen haben soll, ursprünglich ganz anderes im Sinn. „Er wollte einen August Strindberg schreiben“, erzählt Helmut Grieser. Ein sozialkritisches düsteres Drama.

„Es ist ja auch ganz einfach, lieber Junge. Auf einen Viertel Liter Holunderbeerwein nehmen wir einen Teelöffel Arsenik, einen halben Teelöffel Strychnin und ein paar Körnchen Zyankali“ geben die lieben Tanten Abby und Martha ihrem völlig entsetzen Neffen Mortimer ihr Geheimrezept weiter. Die Kinogänger entwickelten wie die Theaterbesucher viel Sympathie mit den beiden alten Damen und begriffen ihr absonderliches Tun fast schon als Normalität. Ist es nicht so, dass die beiden ihre Opfer „Gott näher bringen“ und ihnen ein unschönes langweiliges Leben ersparen? Außerdem greifen mit Mortimers Bruder Jonathan (Hans Dieter Helmeke) und seinem Gehilfen Dr. Einstein (Harald Jeske) noch weitaus ungeselligere Mörder ins Geschehen ein. Und im Vergleich mit Mortimers anderem Bruder Teddy, der bei den methusalems zu seinem Cousin Georgie wird, der sich für Präsident Bush hält und die vielen Toten im Keller als zu verscharrende Opfer der Ölmafia einordnet, stehen die beiden Ladies doch geradezu mit beiden Beinen im Leben .

Helmut Grieser hat seiner Seniorentheatergruppe für „Arsen und Spitzenhäubchen“ eine Verjüngungskur verpasst, die ihr gut ansteht. Der 19-jährige Max Siebeneicher und die 17-jährige Rachel Behringer vom Jugendclub des Theaters spielen einen Polizisten und Mortimers von dessen Familie restlos überforderte Freundin Elaine. Die Rolle der alten Damen hat er doppelt besetzt, auch Ludmilla Müller und Gerburg Rüsing haben ihre 12 (oder waren es 13?) Leichen im Keller. Fast das ganze Ensemble der methusalems spielt mit und alles deutet darauf hin, dass das Stück ein großer Erfolg für die sympathische Truppe wird. „’Arsen und Spitzenhäubchen’ ist natürlich auch eine sehr dankbare Vorlage“, ist Grieser klar. Aber ganz so leicht verdaulich will man das Stück nicht spielen, die alten Damen sollen nicht nur tüdelig-nett daherkommen. „Die wissen schon, was sie angestellt haben, die haben es faustdick hinter den Ohren.“