Eine fruchtbare Brücke

Eine fruchtbare Brücke

Die „methusalems“ lassen Enkelgeneration ihre Erinnerungen ans Dritte Reich nachspielen
Otto Schnekenburger, Der Sonntag, 2. Mai 2010
Ältere Freiburger schreiben ihre Erinnerungen an die Kindheit im Nationalsozialismus auf, Schüler spielen diese auf der Bühne nach und treten in Dialog mit der Großvätergeneration: Dies erwartet den Zuschauer bei „Der Hund auf meinem Schreibtisch“, der neuesten Produktion der methusalems, die heute abend in Freiburg Premiere hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Seniorentheatergruppe um Helmut Grieser aus den eigenen Erinnerungen ein Stück formt. Das war schon bei ihrem allerersten Stück „Jenseits von Gut und Böse“ so. „Schon damals gab es eine Kriegs-Sequenz, hier wollten wir anknüpfen“, erzählt Grieser. Alle methusalems, die während des Dritten Reiches bereits alt genug waren, schrieben zuerst ihre Erinnerungen auf. Ingrid Israel, die auch die Dramaturgie von „Der Hund auf meinem Schreibtisch“ innehat, formte daraus die Stückvorlage, die von sechs Schauspielern der methusalems gespielt wird. Und von sechs Schülerinnen sowie drei Schülern vom Ursula- und vom Droste-Gymnasium im Alter zwischen zehn und 15 Jahren. „Wir konnten uns ja schlecht selbst als Kinder spielen“, meint Helmut Grieser. Die Zusammenarbeit mit der Generation der Enkel habe sich als fruchtbares und Spaß machendes Aufeinandertreffen erwiesen: „Wir waren selbst überrascht, wie leicht das geht“, meint Israel.

Unter der Regie von Armin Holzer wird „Der Hund auf meinem Schreibtisch“ relativ spät einsetzen, in den Jahren 1942/1943, also in einer Zeit in der Tod und Verluste durch die Diktatur bereits eine große Rolle spielten. In einer Schreibtischschublade gesammelte Gegenstände werden Erinnerungen auslösen, die in Themenbereiche wie „Die Verstrickung ins dritte Reich“ oder „Die Verführung der Jugend durch den Nationalsozialismus“ unterteilt sind. Die Geschichten greifen bisweilen Banalitäten auf, hinter denen der Schrecken des Regimes doch erkennbar wird. Etwa wenn sich ein methusalem erinnert, wie neidisch er auf den älteren Bruder wegen dessen Uniform war. Die methusalems, die ihre Erinnerungen aufgeschrieben haben, waren damals erst Kinder, sind daher während der Nazi-Zeit nicht selbst zu Tätern geworden. „Das hat unser Projekt schon einfacher gemacht“, meint Helmut Grieser. Auch habe sich der Nationalsozialismus nicht in jeder Familie und jeder Schulklasse gleich bemerkbar gemacht, die Erinnerungen der methusalems würden auch Zeugnis darüber ablegen, dass die Kinder die Zeit oft weniger bedrückend als die Erwachsenen erlebten, weil sie ihr Ausmaß nicht erahnten. Wenn dann aber die Judenverfolgung oder die Bombennächte geschildert werden, ist der Schrecken doch wieder sehr greifbar.

Die Kinder werden sich nicht darauf beschränken, die Erinnerungen nachzuspielen, die ihnen die methusalems vorgeben. Sondern immer wieder in die heutige Zeit zurückspringen und mit den methusalems in Dialog treten. So soll ein komplexes Bild über die gesellschaftlichen Einflüsse, denen Kinder während der Nazi-Zeit ausgesetzt werden entstehen, mit denen man nach den Aufführungen am Theater auch gerne in Schulklassen gehen würde.