Acht Tage für 30 Minuten

Acht Tage für 30 Minuten

Der TV-Sender 3sat hat das Theater Freiburg in seiner Reihe „Theaterlandschaften“ porträtiert
Dorothea Marcus, Badische Zeitung, Kultur, 31. Januar 2003
Nachhaltig sorgt Intendantin Amélie Niermeyer für Medienaufmerksamkeit – nach den überregionalen Zeitungen ist das Theater Freiburg nun auch noch im Fernsehen vertreten. Acht Tage lang war ein Kamerateam in Freiburg unterwegs, um für 3sat und den ZDF-Theaterkanal zwei Fernsehreportagen zu drehen: eine kurze für das Magazin „Foyer“, die andere für ein 30-minütiges Porträt der Reihe „Theaterlandschaften“. Dort werden wöchentlich ausgewählte Theater der Bundesrepublik vorgestellt, um das deutsche Theatersystem zu würdigen, das bereits August Everding und kürzlich auch Antje Vollmer zum „Weltkulturerbe“ erklären wollten.

Porträtiert werden große Häuser wie die Schaubühne Berlin, außergewöhnliche Privattheater – oder eben relativ normale Stadttheater wie Freiburg. „Freiburg hat immer noch einen großen Ruf als einstige Talentschmiede von Klaus Michael Grüber, Anne Tismer oder Andrea Breth“, so die extra aus Mainz angereiste ZDF-Theaterredakteurin Bettina Kasten. Zusammen mit der gegenwärtigen Theaterblüte unter Amélie Niermeyer und dem Sparzwang war das für sie eine eindeutig fernsehtaugliche Geschichte. Acht Tage war das Kamerateam unterwegs und hat 15 Stunden Filmmaterial gesammelt, die nun in rasender Geschwindigkeit in 40 plus zehn Minuten verwandelt werden müssen.

Der Autor des Porträtfilms, Thomas Riegler, 37, lebt eigentlich in Los Angeles. Er ist kein Journalist, auch von der deutschen Theaterszene hat er nicht viel Ahnung. Aber dafür umso mehr vom Film: Nachdem er an der Filmakademie Wien studiert hat, dreht er heute in Los Angeles vor allem Schauspielerporträts für einen amerikanischen Unterhaltungssender. Gefilmt hat er, was das Theater Freiburg seiner Meinung nach von anderen Häusern unterscheidet: mehrere Stunden lang zum Beispiel die „Methusalems“, die vom Schauspieler Helmut Grieser geleitete Theatergruppe der Rentner, oder den gerade boomenden Jugendclub. Aber auch Schauspieler in der Maske, bei Nachbesprechungen und in Einzelinterviews, und natürlich Proben: sowohl für Stücke, die erst in einigen Wochen Premiere haben wie „Dekalog“ oder „Richard III.“, aber auch extra nachgestellte wie aus „Effi Briest“ – denn um so „weit wie möglich hinter die Kulissen“ zu blicken, muss die Intendantin natürlich auch bei der Arbeit gezeigt werden. Vom Theater Freiburg ist Riegler hellauf begeistert: „Ich hätte ein ganzes Jahr hier verbringen mögen, um einen richtig langen Dokumentarfilm zu drehen, so lebendig ist es hier.“ Für Redakteurin Bettina Kasten soll jedoch eher die Geschichte des Freiburger Theaters im Vordergrund stehen, seine Entstehung aus dem bürgerschaftlichen Engagement und seine Intendantengeschichte, und deshalb wird der Film angereichert mit Archivmaterial und Interviews mit Niermeyers Vorgängern Hans J. Amman und Friedrich Schirmer.

Esther Schweins und ihre badische Vergangenheit Die Reihe „Theaterlandschaften“, seit August letzten Jahres auf Sendung, ist eine Art Mission zur Popularisierung der deutschen Theaterszene: „Wir wollen zeigen, dass das deutsche Theater nichts Elitäres ist, sondern eine große Errungenschaft, die geschützt werden muss.“ Unter anderem deshalb werden beide Sendungen von Esther Schweins, einem der bekanntesten TV-Gesichter, moderiert. Die Schauspielerin, Fernsehstar, Publikumsliebling und kürzlich von der Fernsehwoche zur „erotischsten Frau des Fernsehens“ gekürt, hat ihre Karriere, ganz nebenbei, in Freiburgs Nähe begonnen: Ursprünglich ging sie an die badische Schauspielschule in Karlsruhe und spielte kurz am Karlsruher „Inseltheater“. Spätestens jedoch, seit sie bei „RTL-Samstag Nacht“ berühmt wurde, ist sie dem Badischen entwachsen. Seit einem Jahr ist sie „Anchorwoman“ des ZDF-Theaterkanals. Dort soll sie vor allem zeigen, dass Theater keine Konkurrenz zum Fernsehen sein muss, sondern eben auch anders sein kann, nämlich populär, charmant und glamourös.

Auf Freiburg fiel dann aber doch nicht viel von ihrem Glanz, denn häufig wurde ohne sie gedreht. Esther Schweins reiste erst in den letzten zwei Tagen an, um in weitgehender Unkenntnis des Filmmaterials vor Freiburger Theaterkulisse ihre Moderationen einzusprechen, die sie meist nicht selbst schreibt, nur manchmal ein wenig gestaltet. Esther Schweins, erblondet, im grauen Kostüm, schmal – mehrfach hat sich die Bild-Zeitung schon Sorgen um ihr Gewicht gemacht – und wunderschön wie immer, war allerdings etwas gestresst. Wegen des schlechten Wetters gerieten die Dreharbeiten so sehr in Verzug, dass selbst der offizielle Pressetermin aus Zeitmangel abgesagt werden musste. Ihre Moderationen werden erst nachträglich in den Film geschnitten.

Später wird das kaum mehr auffallen. Doch so löblich die Idee der „Theaterlandschaften“ ist – mehr als 150 000 Zuschauer findet die Sendung selten. „Das ist mehr, als wir bei der Konzeption erwartet haben“, meint Bettina Kasten – und kann doch nicht verhehlen, dass das wohl immer noch zu wenig ist, um die bedrohte deutsche Theaterlandschaft zu retten.