Doch! Nein! Doch!
„Doch! Nein! Doch“.
„Oper muss schön sein?“ Eine Diskussion amTheater Freiburg Jens Schmitz, Badische Zeitung,Kultur, 9. Mai 2007Braucht man im „Figaro“ einen Gummipenis? Was soll die Putzfrau im„Don Carlo“? Und all das Blut in „Elektra“ – muss das sein? Fragen, über die sich vier Theatermacher der Städtischen Bühnen am Freitag mit Alexander Dick austauschen wollten – der BZ-Kulturchef hatte im Dezember mit zehn Thesen zur Situation des Musiktheaters provoziert. Mit ihnen hat er etwa Regisseur Frank Hilbrich „echt schwer verletzt“, aber offenbar auch vielen aus dem Herzen gesprochen: Die 70 Menschen im Winterer Foyer waren schon nach 20 Minuten nicht mehr gewillt, sich aufs Zuhören zu beschränken. Unter dem Titel „Die Nackten und die Feinrippträger“ hatte Dick vergangenes Jahr nicht nur ein Desinteresse vieler Regisseure an der Musik beklagt, sondern auch die Verwechslung von Originalität mit fortgesetzten Tabubrüchen, mit Theorielastigkeit und einer Dekonstruktion, deren Formen längst selbst zum Klischee erstarrt seien. Ein Dialog mit dem ratlosen Publikumfinde gar nicht mehr statt.
Das sollte sich ändern: Der moderierende Musikhochschulrektor Rüdiger Nolte wollte zunächst einmal Begriffe wie Schönheit klären. Er kam aber nich tweit. „Es geht in der Kunst um Wahrheit, die Schönheit ist eher der Köder“, beschied ihn Dirigent Lutz Rademacher und stieß auf keinen Widerspruch im Saal. Dass es jedoch akademisch zu werden drohte, dagegen wurde im Publikum massiv protestiert. Anhand der Freiburger Inszenierungen von „Figaros Hochzeit“, „Elektra“ und „Don Carlo“ ging es von nun an quer durch den Raum um Konkretes.
Ob und wie nämlich Wahrhaftigkeit auf der Bühne sich vermittelt, dazu lagen die Ansichten auseinander. Das liegt einerseits schon in den Voraussetzungen begründet, die jeder Einzelne mit ins Theater bringt. Als im Publikum bemängelt wurde, die Inszenierung zeige zur schönen Musik lauter irritierende Bilder, sprang Intendantin Barbara Mundel aus dem Saalhintergrund in die Bresche: „Die Musik zeigt das doch auch!“ Publikum: „Nein!“ Mundel: „Doch!“ Wie soll man das überbrücken? Was dem Mozartkenner Problematik signalisiert, hat jahrhundertelange Hörgewohnheit für viele zu erhabenen Klängen geglättet.
Hilbrich und Rademacher verwahrten sich gegen Ansprüche, das Theater nur als Genussmittel zu betrachten.Wahrheit sei, fügte Dramaturgin Dominica Volkert an, wenn ein Moment intensiv berühre. Und Sängerin Leandra Overmann brach eine Lanze für die Freiburger Regie: „Die Inszenierung hat mir immer geholfen, den musikalischen Ausdruck zu finden.“ Die Mehrheit der Zuschauer hatte mit „modernen“ Ideen an sich auch keine Probleme. Für die Macher dürfte schwerer wiegen, dass zahlreicheMenschen im Saal bekannten, oft eben nicht berührt zu werden: Man langweile sich. Da half es auch nicht, dass Nolte und Volkert in der erregten Debatte den Beweis des Gegenteils sehenwollten.Wie heftig die Enttäuschung vorgetragen wurde, zeigte allenfalls, mit welch leidenschaftlicher Erwartung die Besucher ihrem Theater begegnen. Dass sie in guten Momenten beglückend erfülltwird, das belegten Hinweise auf „Rheingold“, „Arsen und Spitzenhäubchen“ und – „Elektra“.