in memoriam
Gerburg Rüsing
12. Mai 1934 – 23. August 2024
Zum Gedenken an Gerburg habe einige der methusalems Erlebnisse mit ihr, Gedanken und Erinnerungen an sie, die sie mit ihrer Person verbinden, hier notiert.
Bei einer der Vorstandswahlen der methusalems wurde Gerburg zur 1. Vorsitzenden gewählt und ich zu meiner eigenen Überraschung als Nachrückerin als Stellvertreterin. Einige Zeit später traf ich mich mit Gerburg und teilte ihr mit, dass ich nicht geeignet bin, als 2. Vorsitzende zu agieren. Gneuaso überraschend, wie meine Wahl zur Stellvertreterin war Gerburgs Reaktion: Sie wäre als Vorsitzende der methusalems auch nicht die Richtige. Es war ein sehr fröhliches Treffen mit ihr, bei dem wir unsere Unfähigkeit begossen haben und im Anschluss daran unsere Positionen wieder abgegeben haben.
Viele weitere und gute Gespräche mit Gerburg sollten diesem Treffen folgen. Ihre pragmatische, direkte Art gefiel mir sehr gut.
Ingrid Riesterer
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„Gerburg anrufen und eine Verabredung mit ihr machen!“ Das stand auf meinem Zettel, als mich die Nachricht von deinem Tod erreichte. So gerne hätte ich dich besucht und mit dir geplaudert. Vielleicht auch ernsthaft mit dir über das Leben geredet und darüber wie es uns jetzt geht?
Ich bewunderte dich, deine Kraft, dein Durchsetzungsvermögen . . . Und ich sehe immer noch (als ob es gestern gewesen wäre) wie du bei unserem Theaterstück „Anarchie in Bayern“ die Wäscheklammern auf die Leine stecktest.
Gerburg, ich bewahre dich tief in meinem Herzen.
Miejef Callens
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Ich bin Gerburg zum ersten Mal im Dezember 2010 bei einer Wiederaufnahme-Probe des Stücks „Arsen und Spitzenhäubchen“ unter der Regie von Helmut Grieser, dem Gründer der Theatergruppe, begegnet. Sie bot in einer Pause ihren wunderbaren, selbst gebackenen Nusskuchen zur Stärkung an. Diese kurze Episode ist für mich beispielhaft für Gerburgs Haltung in der Gruppe: Mit ihren Worten und Taten wollte sie sich nicht profilieren, sondern für eine gute Atmosphäre und eine schöne und erfolgreiche Theaterarbeit sorgen.
Ihr privates Leben, soweit ich es kenne, schien mir klug und vorausschauend organisiert: So erreichte uns „methusalems“ vor etlichen Jahren in der Vorweihnachtszeit eine hübsche, von ihr selbst gefertigte Zeichnung von einem Schlitten, bepackt mit ein paar Kartons, einem Geigenkasten und einem Christbäumchen – mit dem Untertitel: „Ich ziehe um, solange ich das noch kann.“ Sie hatte sich also von manchem Ballast in einer offenbar größeren Wohnung getrennt und sich in ein kleines, aber feines Appartement in einer Wohnanlage für Ältere aufgemacht, wo auch ich ihre Gastfreundschaft erleben durfte.
Heide Cerny
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Gerburg: Das ist für mich die freche Mädchenstimme im Kreis der methusalems, ein Stimme, in der meistens der Schalk mitklang, der Humor, der Gerburg auszeichnete, ein Lachen, das wie ein „Da lach ich drüber“ klang. Und nicht nur ihre Stimme – sie selbst erschien mir jung geblieben bis ins hohe Alter, spitzbübisch und zu Scherzen aufgelegt. Wie viele Male saßen wir bei mir zuhause in der Corona-Zeit zusammen vor dem Bildschirm, um via Zoom-Konferenzen die „Ehemaligen“ vorzubereiten, eine Inszenierung der Geschichte des früheren Waisenhauses im Kloster in Günterstal. Kaffee, Tee und Schokolade gehörten immer dazu. Und viel Gekicher. Da passte es, dass Regisseur Veit Arlt sie das „Kindergebetchen“ von Joachim Ringelnatz sprechen ließ, dass sie unnachahmlich frech über die Rampe brachte – so lange sie das noch konnte . . .
Mechthild Blum
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Gerburg und ich hatten viele biografische Berührungspunkte. Bewundert habe ich ihre Ehrlichkeit , ihr schauspielerisches Können. Sie war selbstbewusst, kreativ und imstande, Unvermeidliches hinzunehmen. In diesem Punkt war sie mir charakterlich weit voraus. Sie fühlte Verantwortung für unsere Gemeinschaft, sie half ideenreich, wo sie konnte. Und wir beide haben auch Freude gehabt beim Zusammensein, dennoch haben wir uns nicht von Herzen geliebt. Mit ihrer Stimme konnte ich mich nie recht befreunden. Das hat sich in den Monaten ihrer Krankheit geändert. Da empfand ich sie milder. Danke für deine Prägung, liebe Gerburg!
Renate Gimmi
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Gerburg war eine passionierte Schauspielerin und engagiertes Mitglied bei den methis. Mit Ecken und Kanten, geradlinig und klar. Intensive Arbeit und volles Engagement für das Projekt waren ihr wichtig.
Gisela Braun
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Eigentlich wollte ich sie mal wieder besuchen – nun muss ich Gerburg woanders suchen. Ich mochte ihre unangepasste und immer hilfsbereite Art. Ihr Humor kam wunderbar zum Ausdruck in „Anarchie in Bayern“, eine Bettdecke hochhaltend, hinter der ihr schimpfender Kopf hervorragte und sie ihrem sichtlich unterdrückten Mann sagte, wo‘s lang ging. Meine Lieblingsszene mit ihr. Sie wird mir und unserer Gruppe in ihrer gradlinigen Art sehr fehlen.
Barbara Motz
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Gerburg hat mich sehr beeindruckt durch ihre Persönlichkeit und ihre Schauspielkunst. Sie war eine kluge und lebenserfahrene Frau, die sich nie beklagte und immer auf die positiven Aspekte, auch in schwierigen Situationen achtete. Selbst von Schmerzen geplagt hielt sie die vielen Proben für „die Ehemaligen“ durch, bis ihr schließlich der Arzt das Theaterspielen ganz verbot. Das muss sehr schlimm für sie gewesen sein!
Als Schauspielerin hat sie mich durch ihre Stimme sehr beeindruckt, beispielsweise als Mutter in der „Second Hand Zeit“, die ihren Sohn durch Selbstmord („an einem Gürtel“) verloren hat. Auch ihre rasche und präzise Umsetzung von Regieanweisungen zeichnete sie als Schauspielerin in höherem Alter aus.
Als sie eines Tages zur Probe kam berichtete sie, dass sie gerade vom Wochenmarkt komme. Dort habe sie erfahren, dass es eine Kartoffelsorte namens Gerburg gebe. Sie war sehr erstaunt darüber – und auch ein wenig empört.
Herbert Pielmaier
Harald Jeske
-Absolute Bühnenpräsenz in jeder Rolle. Die ihm eigene Überzeugungskraft konnte Harald den Figuren, die er zu verkörpern hatte, in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen mitgeben. Diese Fähigkeit, eigene Persönlichkeitsanteile in schauspielerisches Handwerkszeug zu verwandeln, wurde auch anderen zur Orientierung. Voller Überzeugung und überzeugend trug Harald den Satz „Man hat über Jahrtausende versucht, uns zu erzählen, dass wir sterben müssen. Auch wenn es stimmt, glauben wir es nicht!“ vor. (Aus der „Rede zum unmöglichen Theater“ von Wolfram Lotz, Teil unseres Stücks „Ich weiß, was du ´68 getan hast“)
Mechthild Blum
-Besonders in Erinnerung sind mir deine Geburtstage geblieben, lieber Harald. Wir feierten Anfang Dezember, fast immer während den Endproben. Deine liebe Frau Regina brachte uns am Nachmittag viel Leckeres, und du hast jedes Mal an „deinem Tag“ gestrahlt wie ein Kind.
Miejef Callens
-Haralds offene, entgegenkommende Art fiel mir schon bei einem der ersten Treffen mit den „methusalems“ auf, als er mir, der neuen, sozusagen noch auf Probe Anwesenden, zwei Freikarten für eine Vorstellung von „Arsen und Spitzenhäubchen“ zusteckte, in dem er bravourös die Rolle des Doktors verkörperte. Wie wichtig ihm Miteinander und Austausch mit und in der Theatergruppe waren, zeigte sich auch an seinem unermüdlichen Werben für den von ihm etablierten, wöchentlichen Stammtisch.
Besonders bewundernswert ist seine Teilnahme – trotz seiner zunehmenden gesundheitlichen Probleme – an unserer Inszenierung „Die Ehemaligen“ in der Spielzeit 2022/23.
Heide Cerny
-Ich schätzte Harald als liebenswerten und auch humorvollen Menschen mit dem ich sehr gerne zusammen gespielt habe (allein 38 mal „Arsen und Spitzenhäubchen“. Er war mit Leidenschaft ein Mann des Theaters, dem die Proben nie zu viel waren. Ich werde ihn sehr vermissen.
Wim Geerlings
-Verehrt habe ich ihn immer wegen seiner Klugheit, Rechtschaffenheit und seines Könnens. Viel hat für mich ausgemacht, dass er vor seinem Jurastudium eine praktische Kaufmannsausbildung abgeschlossen hat. Vom Beginn der Methusalem-Gründung an habe ich gespürt, wie er für das Schauspielen glühte. Er liebte den Applaus. Und als für ihn wegen seines Alters und seiner Behinderung Sonderrollen von der Regie geschaffen wurden, merkte man ihm an, wie stolz er darauf war.
Vor wenigen Jahren hatten wir abgesprochen, unsere Bühnenaktivität nun ruhen zu lassen und das bei der nächsten Jahresmitgliederversammlung bekanntzugeben. Der Tag kam. Als die Ältere sprach ich es aus und dachte, jetzt sagt er es. Mitnichten! Er hat sogar für die geplante Operette noch vorgesungen. Sein letzter Auftritt, seine Rolle in „Die Ehemaligen“, wo er als Pfarrer via Videoeinblendung mit seinem prägenden Gesichtsausdruck die infamste Heuchelei von sich gab, war göttlich!
Renate Gimmi
-Und immer war er nicht nur Schauspieler, sondern auch Motor auf einer Entdeckungsreise, zu der wir, meine Frau Ingrid und ich mit den methusalems gemeinsam aufgebrochen waren. Besonders in einem der letzten Stücke, das wir miteinander entwickelt hatten. Wir baten die „methusalems“ sich zu erinnern, was sie als Kinder in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt hatten. Harald fiel die Geschichte mit dem Hund ein: Jahrzehntelang stand ein kleiner Bronzehund auf seinem Schreibtisch. Er hatte ganz vergessen, woher er eigentlich kam. Und plötzlich, so sagte er, war wieder ein Bild da und er wusste, wer ihm den Hund geschenkt hatte. Es waren zwei alte Damen, die im gleichen Haus unter dem Dach wohnten und die, als sie gezwungen wurden, ganz schnell auszuziehen, ihm, dem kleinen Jungen, zum Abschied diesen Hund schenkten. Harald wusste selbst nicht, warum er ihn so lange aufbewahrt hatte. Das war, ohne dass das Kind es begreifen konnte, seine erste Begegnung mit dem Holocaust. Du hast uns mit dieser Geschichte, die auch zum Titel für unser Stück „Der Hund auf meinem Schreibtisch“ wurde, ein kostbares Geschenk gemacht. Danke Harald.
Helmut Grieser
-Harald war mein Freund – seit 1961, als wir den praktischen Teil unserer juristischen Ausbildung am Amtsgericht Freiburg begannen. Wir haben zusammen große Reisen gemacht, eindrucksvoll und erlebnisreich. Wir waren jung und scheuten kein Risiko. Einmal waren wir in Las Vegas, wo ich verhaftet werden sollte. Ich hatte trotz Verbots in einer Halle mit sogenannten einarmigen Banditen fotografiert. Aber ich konnte fliehen und draußen saß Harald im Auto mit laufendem Motor. Er hatte schon eine Ahnung . . . Dann sind wir stundenlang gefahren – ein Staatsanwalt und ein Richter auf der Flucht vor der Polizei. Wir kamen uns fabelhaft vor!
Auch nachdem wir beide Familien gegründet hatten, riss die Verbindung nicht ab. Richtig intensiv und lebendig wurde sie, als wir vor genau 23 Jahren ein Seniorentheater mitgründeten, das den Namen „die methusalems“ bekam. Für uns beide hatte sich ein Jugendtraum erfüllt! Am meisten hat mich seine Hilfsbereitschaft beeindruckt. Danke Harald.
Hans-Dieter Helmeke
-Die beiden jungen Assessoren Harald Jeske, Hans-Dieter Helmeke und ich frischgebackene Referendarin – von mir die drei juristischen Musketiere genannt – waren in den frühen 70ger Jahren am Amtsgericht Lörrach eingesetzt und hatten viel Spaß in dieser Zeit. Wenn Hans-Dieter und ich in der Beurteilung von Fällen uneins waren, musste Harald, Staatsanwalt im Büro nebenan, schlichten.
Ein Fall ist mir besonders in Erinnerung: Ein Volltrunkener im Straßenverkehr wurde von einem wild mit den Augen rollenden Verteidiger so vertreten: „Mein Mandant war nicht betrunken. Er befand sich lediglich im geordneten Dämmerzustand , hervorgerufen durch die bioklimatische Reizzone des Dreiländerecks.“ Selten waren wir drei uns so einig, wie in diesem Fall: dass nämlich der eine betrunken gewesen war und der andere einen Schuss hatte.
Barbara Motz
-Er war ein guter Mensch und als Schauspieler hätte er vermutlich auch Erfolg gehabt. Ich sehe ihn zwischen Erik Ode und Heinz Rühmann stehend. Beeindruckt hat mich besonders eine Antwort von ihm auf die Frage eines Interviews: „Sie sind doch Jurist!?“ – „Nein, ich bin Schauspieler!“ Das hat er wenige Monat vor seinem Tod allen Ernstes gesagt. Und so werde ich ihn auch in Erinnerung behalten.
Herbert Pielmeier
-Harald, Dieter Kottler und ich hatten die jährliche Kassenprüfung für die Methusalems vorzunehmen. Einmal warteten Dieter und ich vergebens bei Kottlers zuhause auf den sonst so pünktlichen Harald. Wie sich später herausstellte, war er stattdessen im Thermalbad schwimmen gewesen und hatte uns völlig vergessen. Wir konnten ihn erst erreichen, als die Kassenprüfung längst rum war. Ach, da gab er sich laut klagend untröstlich und zutiefst bedauernd, diese Gelegenheit verpasst zu haben: „Ihr wisst ja, wie ich mich auf Charlottes (Ehefrau von Dieter, Anm.) Kaffee und ihre selbstgebackenen Kekse freue.“ Von der versäumten Kassenprüfung selbst war nicht die Rede.
Ingrid Riesterer
-Es war mein erster Auftritt im Theater mit den Methusalems. Wir spielten eine Gruppe alter, verwirrter Menschen, die in einem Altenpflegeheim lebten. Zu Beginn des Stückes saßen wir auf Stühlen nebeneinander mit dem Rücken zum Publikum. Harald saß neben mir. Er bemerkte, dass ich sehr aufgeregt war und beruhigte mich. Er sagte: „Hab keine Angst, alles geht gut und ich bin ja neben Dir“. Das war der Beginn unserer Freundschaft.
Maja Schaber
-Wir haben einen liebenswerten Freund verloren, einen sehr geschätzten Schauspielkollegen, einen Methusalem der ersten Stunde. Viele Male haben wir zusammen auf der Bühne gestanden und noch viel öfter gemeinsam geprobt. Das letzte Mal sprachen wir miteinander beim Stammtisch, der ihm so viel bedeutete.
Thomas Schelenz
-Eine Shakespeare-Gestalt: nach außen oft stoisch, von innen heraus voll Feuer, mit lachenden Augen in dem weiten Land seines Gesichts; diese präzise Sprache, das bedächtige Sprechen, dieser Witz – im englischen Sinn: he was a wit – den er als Geistesmensch stets wie ein Florett einsetzte, niemals als Knüppel. Ein Gentleman, ein gentle man, ein weiser Alter, Doge, Herzog, Vater, König – all the world‘s a stage, and all the men and women merely players*: das hat Harald gewusst, das hat er gelebt.
Uli Winterhager
*Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Männer und Frauen nur Spieler