Junges Festival
Junges Festival
Das Theater Freiburg hat ein Seniorentheater-Festival aus der Taufe gehoben Bettina Schulte, Die Deutsche Bühne 4/I 2008Das gibt es auch noch. Während die Welle theaterpädagogischer Projekte für Kinder und Jugendliche hochschlägt – neuerdings werden schon die ganz Kleinen als Nachwuchs von übermorgen entdeckt –,veranstaltet das Theater Freiburg die ersten Seniorentheatertage. So weit man weiß: eine Pioniertat in Deutschland. Dass gerade diese Bühne sich für die Alten stark macht, ist kein Zufall. Seit acht Jahren schon existiert dort ein von dem Schauspieler Helmut Grieser geleitetes Laienensemble für Menschen ab 65, das sich den schönen selbstironischen Namen methusalems gegeben hat. Die Gruppe hat sich erstaunlich schnell professionalisiert – nicht zuletzt deshalb, weil sie in dem seit zwei Jahren von Barbara Mundel geleiteten Drei-Sparten-Haus von der Technik bis zum Programmheft dieselbe Unterstützung erfährt wie alle andere Produktionen. Die Aufführungen der methusalems sind immer ausverkauft.
Bei den mit Gastspielen aus Karlsruhe, Ettlingen, Nürnberg, Tübingen bestückten Seniorentheatertagen zeigten die Freiburger ihre jüngste Erfolgsproduktion: Joseph Kesselrings Kriminalkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ – eine liebevoll ironische Imitation früherer Inszenierungsstile, die vom keines wegs nur betagten, vielleicht regietheatermüden Publikum durchaus auch als eine Rückkehr zum konventionellen Theater aufgefasst werden könnte. Dieser Zug zum guten alten Illusionstheater ließ sich auch bei den anderen Inszenierungen nicht übersehen. Mit Arthur Watkins Stück „Streng geheim“ der Gruppe Tempo 100 aus Nürnberg stand eine weitere Kriminalkomödie auf dem Programm; das Ensemble BaSta aus Karlsruhe bot Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“. Experimentelleres, Gewagteres kam nur aus Tübingen: Durch freches, respektloses Umfrisieren jener deutschen Märchen, in denen immer nur von den Jungen, Schönen und Reichen die Rede ist, fiel das Frauentheater Purpur auf; das Generationentheater Zeitsprung – in dem Junge mit Alten spielen – knüpfte mit „Kontakt-Schleifen“ an heutige Theaterästhetik an.
Natürlich will ein solches Festival nicht allein und auch nicht in erster Linie an künstlerischen Maßstäben gemessen werden. Schließlich stehen hier ausschließlich Laien auf der Bühne – da durfte man sich schon gelegentlich über das hohe schauspielerische Niveau wundern. Auch die Umstände, unter denen diese Gruppen arbeiten, sind in der Regel wenig komfortabel. Arbeitsbedingungen wie in Freiburg gibt es anderswo kaum. Man darf also von einer hohen Motivation der Senioren ausgehen – und vor allem daran lässt sich ablesen, dass und wie der demographische Wandel auch die Theater erreicht hat: Ältere Menschen sind heute fitter, gesünder, leistungsfähiger als je zuvor. Dem steht auf der anderen Seite eine seltsame Verjüngung der Theater gegenüber: Die Schauspieler, so scheintes, werden immer jünger; die großen alten Mimen sind längst abgetreten; die Dominanz der Körper lässt ältere Schauspieler buchstäblich alt aussehen. Auf der Bühne findet sich das traditionelle Theaterpublikum oft kaum noch wieder. Die Kluft zwischen der Eigendynamik künstlerisch-ästhetischer Entwicklungen und den Sehgewohnheiten gerade älterer Zuschauer mag sich in der starken Resonanz auf die Freiburger Seniorentheatertage spiegeln. Die komplett ausgebuchten Workshops Schauspiel, Bewegung und Gesang machen noch etwas anderes deutlich: Das Theater ist dabei, sich immer stärker vom reinen Zuschauer zum Mitmachtheater zu entwickeln. In einer Gesellschaft, in der dank der privaten Fernsehsender jeder ein Star werden kann – und sei es nur für ein paar Minuten –, drängt es die Menschen, so scheint es, mehr denn je auf die Bühne. Am Theater Freiburg hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Demnächst wird – in dem „Gen-Krimi“ „Das doppelte Karottchen“ – ein ganzes Dorf mitspielen. Und man muss kein Hellseher sein, um den Seniorentheatertagen eine glückliche Zukunft zu prophezeien.